„Die Software-Regale werden verschwinden“

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Steve Brazier, CEO von Canalys, sah kürzlich in einem deutschen Media-Markt die mit Consumer-Software wohlgefüllten Verkaufsregale und dachte sich: „In zwölf Monaten wird dies alles verschwunden sein.“ Er erwartet, dass die Hersteller der Versuchung erliegen werden, den Box-Verkauf völlig einzustellen und so den Fachhandel und die Distribution auszuschalten. Vorreiter dieser Entwicklung ist Apple, das das neue Betriebssysteme Mac OS X Lion für 23,99 Euro anbietet. Die Vorgängerversionen kosteten 100 Euro mehr. Apple kann trotzdem noch Geld verdienen, denn einen Box-Verkauf über den Channel gibt es nicht mehr, nur noch einen Download im App-Store. Die Apple-Fachhändler sehen in die Röhre.

Brazier sieht eine starke Versuchung für Microsoft und andere Software-Hersteller, dem Beispiel zu folgen und ebenfalls Software nur noch online zu verkaufen. Den Fachhändlern rief Brazier zu: „Diese Entwicklung wird unausweichlich kommen, sie müssen sich darauf einstellen.“ Er sieht eine Ausweichchance für die Reseller in der stärkeren Konzentration auf Services und Enterprise-Software sowie in der App-Entwicklung.

Generell ist derzeit die Situation der IT-Branche sehr positiv: Die Top 10 Hersteller haben plus 18 Prozent Umsatz im ersten Halbjahr in Dollar erzielt. Besonders stark sind die Investitionen in Rechenzentren, dagegen gibt es eine Schwäche im Consumer-Markt. „Die Channel-Partner dürfen nicht stillstehen und müssen sich anpassen.“ Für das nächste Jahr ist die Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklung schwierig. Es gibt einige negative Indikatoren und echte Risiken einer Rezession. Brazier sieht eine 60 Prozent Chance, den Sturm zu überstehen und ein Wachstum der IT von etwa zehn Prozent zu erzielen. Dem steht eine 25 Prozent Chance für ein wirtschaftliches Desaster gegenüber. Das optimistische Szenario einer positiven Entwicklung gibt Brazier eine Chance von 15 Prozent. Das kann seiner Meinung nach nur gelingen, wenn Merkel, Obama und die Chinesen an einem Strang ziehen und die Finanzinstitute an die Kandare nehmen.

Speziell in der IT-Branche stehen Veränderungen in Rechenzentren durch Consumerization, Cloud und App Stores auf der Tagesordnung. Das Hype-Thema Cloud hat am Gesamtumsatz der IT-Branche laut Canalys einen Anteil von fünf Prozent im Jahr 2011. Bis 2015 sollen es acht Prozent werden, was für den Channel immer noch eine Chance, nicht das Kerngeschäft bedeutet. Aktuell hat die Public Cloud (Google, Microsoft, Amazon, Apple) ein Marktvolumen von 47 Milliarden Dollar. Canalys erwartet, dass die Apple iCloud zur größten Consumer Cloud wird. Die Chancen des Channels, an der Public Cloud mitzuverdienen, sehen die Marktforscher eher gering. Die private Cloud hat ein Volumen von 50 Milliarden Dollar. Die Private Cloud wächst schneller als die Public Cloud und hier liegt eine große Chance für Channel. Ein guter Ansatzpunkt ist es, wenn Anwendungen bereits outgesourced oder völlig neu sind (z.B. Business Analyse). Dagegen sieht Brazier Microsoft mit einer völlig falschen Strategie in der Cloud unterwegs: „Office funktioniert auf dem PC, warum soll man es aus der Cloud beziehen.“ Das gleiche gilt für Google Apps. Die Cloud ist teurer und selbst Salesforce diversifiziert, denn der CRM-Bereich wächst nicht mehr so schnell.

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