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Oracle nutzt die »Chancen der Krise«

Ebenfalls positiv ist der Umstand der geringen Portfolio-Überschneidungen beider Firmen, daher kann davon ausgegangen werden, dass die technologische Weiterentwicklung und damit Wettbewerbsfähigkeit auf den meisten Gebieten gesichert ist.

Oracle zeigt mit diesem Schritt eine zukunftsgerichtete Aktivität, wo andere aktuell nur über die »sich aus der Krise ergebenden Chancen« reden. Die Integration unterschiedlicher Produktsegmente – mit deutlich unterschiedlichen Business Metriken und Margen – wird sicher nicht einfach. Eine gewisse kulturelle Nähe der beiden Unternehmen ist aber gegeben und Oracle hat in der Vergangenheit bewiesen, dass die Integration von Zukäufen zu den absoluten Stärken des Unternehmens gehört.

Offen bleibt, wie Oracle das aktuell defizitäre Hardware Business von Sun profitabel machen kann. Der Unix-Markt schrumpft, sodass nicht mit deutlichen Umsatzsprüngen in Zukunft zu rechnen sein wird. Auf der Kostenseite hat Sun im Jahr 2006 bereits 5000 Mitarbeiter entlassen und im November 2008 weitere 6000 Entlassungen bis November 2009 angekündigt. Ob dies ausreicht, um die Kosten genügend zu senken, bleibt abzuwarten. Ebenfalls offen bleibt, ob durch einen derartigen Stellenabbau die Produktentwicklung und damit das eigentliche Asset von Sun negativ beeinflusst wird. Die bisherige Strategie von Oracle, Administrations-, Marketing- und Vertriebsfunktionen einzugliedern und zu konsolidieren, hilft sicherlich, ist aber schwieriger als bei den reinen Software-Akquisitionen.

Im Folgenden werden die Auswirkungen auf die unterschiedlichen Stakeholder analysiert und bewertet.

Die Software-Lösungen von Sun

Die Software-Lösungen von Sun lassen sich im Wesentlichen in zwei Kategorien gliedern:

* Add-on zum Oracle Portfolio: Java, NetBeans, Glassfish, JavaFX, OpenSolaris, Sun Virtual Box, OpenOffice
* (teilweise) Überlappungen zum Oracle Portfolio: MySQL, Java Enterprise Middleware, SeeBeyond

Oracle hat nicht den Ruf, Technologien einfach zur Seite zu legen. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass MySQL-Technologien in Oracles Datenbank einfließen werden, aber zunächst als eigene Produktlinie weiter geführt werden. Längerfristig muss abgewartet werden, wie sich das Geschäft mit MySQL entwickelt. Oracle ist ein kommerzieller Anbieter und muss auch mit MySQL Geld verdienen, ansonsten ist das Produkt für Oracle wenig attraktiv.

Das gleiche gilt auch für die anderen Software-Produkte. Bislang erwirtschaftete Sun mit diesen lediglich unter 10 Prozent des gesamten Umsatzes. Dies wird sich unter Oracle deutlich ändern müssen, sonst ist davon auszugehen, dass einzelne Produkte auslaufen werden.

Eine besondere Rolle spielt in diesem Bereich Java. Java ist die Basis für sehr viele Plattformen und wird von vielen Anwender-Unternehmen intern genutzt. Oracle wird Java mit hoher Wahrscheinlichkeit »kommerzialisieren«, was durchaus auch positive Aspekte hat.

Der Einfluss auf den Server-Markt und die Wettbewerber

Der zunächst vermutete Kauf von Sun durch IBM hätte den Server-Markt zutiefst erschüttert, mit dem Kauf durch Oracle ergibt sich zunächst keine grundlegende Neuordnung dieses Marktes. Gegenüber den bisherigen Technologie-Partnern wird Oracle mit diesem Schritt allerdings immer mehr zum starken Wettbewerber, wobei die einzelnen Player unterschiedlich stark betroffen sein werden:

* IBM: Im Unix-Server-Umfeld ist IBM mit dem Power Chip und AIX sehr gut positioniert und kann sich auch gegen Sparc/Solaris im Wettbewerb stellen. Ein Bundle aus Server und Datenbank, wie Oracle es jetzt anbieten kann, hat IBM mit Mainframes und Servern in Kombination mit DB2 schon lange. Oracles Datenbank ist für manche Kunden jedoch heute attraktiver.

* HP: War bislang neben Sun der stärkste Partner im Datenbank/Server-Bereich für Oracle. Kurzfristig wird sich daran auch wenig ändern. Mittel- und langfristig wird Oracle aber versuchen, die Sun-Plattform noch besser in einem Gesamtkontext zu positionieren, was HP nicht gefallen wird. Relativ kurzfristig dürfte HP Gegenwind für die gemeinsam mit Oracle entwickelten und vertriebenen Appliances »HP Oracle Database Machine« und »HP Oracle Exadata Storage Server« spüren. Derartige Lösungen können zukünftig inhouse entwickelt und vertrieben werden.

* Fujitsu: Hier ist die Übernahme von Sun durch Oracle geradezu ein Glücksfall, sofern sich Fujitsu in Zukunft im Unix-Server-Markt mit Solaris weiter bewegen möchte. Bei einer Übernahme durch IBM und der zu erwartenden Einstellung der Weiterentwicklung des Sparc-Prozessors wäre Fujitsu die Technologiebasis in diesem Bereich entzogen worden. Mit der Übernahme durch Oracle ist dies bis auf weiteres nicht zu befürchten.

Der Einfluss auf den Markt für Business Software und Datenbanken und die Wettbewerber

Mit dem Kauf von Sun differenziert sich Oracle weiter stark von seinen wichtigsten Wettbewerbern SAP auf der Business-Software-Seite und Microsoft und IBM auf der Datenbank-Seite. Wiederum sind die einzelnen Wettbewerber unterschiedlich stark betroffen:

* SAP: Unterhält enge Partnerschaften mit allen großen Hardware-Anbietern, so auch mit Sun. Um SAP-Kunden, die Sun-Server einsetzen, auch in Zukunft optimal unterstützen zu können, wird SAP nicht umhin können, diese Partnerschaft weiter zu führen. Das gleiche gilt auch für Oracle, da das Sun Server Business ohne SAP-Kunden sicher deutlichen Schaden nehmen dürfte, falls diese Partnerschaft gefährdet würde. Oracle hat mit der Übernahme von Sun nun auch die Hand auf der Vermarktung von Java, der Technologiebasis von SAPs Netweaver. Hier kann Oracle ein wenig Druck auf den Konkurrenten im Business-Software-Bereich aufbauen. Gleichzeitig laufen aber auch viele SAP-Installationen auf einer Oracle-Datenbank, sodass auch hier durchaus gemeinsame Interessen vorliegen, die nicht ohne weiteres geopfert werden können.
* Microsoft: MS SQL setzt Oracle im Datenbank-Bereich insbesondere im Low-End- und Midrange-Segment seit Jahren unter Druck und hat in diesem Bereich deutlich Marktanteile gewonnen. Oracle kann nun zumindest im Low-End-Segment mit einem optimierten Bundle aus x64-Server und MySQL gegenhalten und so Microsoft unter erheblichen Druck setzen. Wie sich die Kräfteverhältnisse in diesem Segment entwickeln, bleibt abzuwarten.

Der Einfluss auf den Service-Markt

Für Service-Partner ist die neue Konstellation durchaus interessant, um sich gegenüber IBM und HP/EDS zu positionieren. Oracle und Sun haben zwar auch ein – vergleichbar kleines – Service Business, lassen ihren Partnern aber wesentlich mehr Freiräume und Möglichkeiten. Dies dürften auch potenzielle neue Partner sehr attraktiv finden.

Der Einfluss auf die Kunden

Kunden von Sun Sparc/Solaris können mit dieser Akquisition wieder aufatmen. Zumindest für die nächsten Jahre dürfte damit sowohl die Weiterentwicklung von Sparc als auch des Betriebssystems gesichert sein.

Anwender von Suns Software-Lösungen, die bislang keine Lizenzgebühren bezahlen mussten und gewöhnt sind, lediglich einen Obolus für Services zu entrichten, werden sich eher früher als später auf Lizenzgebühren einstellen müssen.

Kunden von Oracle-Datenbanken und Business-Anwendungen können zukünftig wahrscheinlich von Bundles aus Server-Hardware, Betriebssystem, Middleware und Datenbank/Business-Applikation profitieren, die preislich sehr attraktiv gestaltet und von der Performance her optimal getunt sein können. Das Risiko dabei besteht aus dem Umstand, dass ein »kompletter Oracle Stack« für die Anwender auch die Gefahr eines Vendor Lock-In bedeutet.

Der Einfluss auf den Channel

Die Partner von Sun gelten als sehr loyal. Sie schätzen an Sun unter anderem die für einen IT-Konzern geradezu »mittelständische« Organisation mit kurzen Wegen und Entscheidunge
n. Sun verfügt in Deutschland über eine breite Partnerbasis, insbesondere in einzelnen Branchen, wie zum Beispiel bei Telekommunikationsunternehmen und Financial Services. Für bisherige Sun-Partner gilt es jetzt allerdings zwei wichtige Punkte zu beachten:

Wie wird Oracle in Zukunft mit Produkten und Lösungen verfahren, die für Oracle weniger von Interesse sind, beziehungsweise bei denen es zu Überschneidungen kommt, wie zum Beispiel im Bereich der Middleware, auf deren Vertrieb sich einzelne Sun-Partner spezialisiert haben?

Außerdem hat man es jetzt als zukünftiger Oracle-Partner mit einem Konzern zu tun, der über einen kompletten Stack an Lösungen verfügt, vom Server über die Datenbank bis hin zu zahlreichen Business-Applikationen. Für viele Partner werden sich nun Situationen ergeben, in denen sie sich in direkter Konkurrenz zu ihrem zukünftigen Partner wiederfinden werden.

Diese Tatsache birgt erhebliches Konflikt-Potenzial, aber natürlich auch Chancen, denn das Portfolio und die Technologien, auf die man jetzt als Partner zurückgreifen kann, sind ungleich größer und attraktiver als bisher. Die Partner müssen also sehr genau prüfen und die Chancen und Risiken genau abwägen.

Aus Sicht von Oracle wäre die Partnerlandschaft von Sun sicherlich eine Bereicherung. Umso wichtiger erscheint es deshalb, in diesem Umfeld sehr behutsam vorzugehen und möglichst wenig Porzellan zu zerschlagen.

Bottom Line und Ausblick

Insgesamt ist die Akquisition von Sun durch Oracle positiv zu bewerten. Aus Sun-Kundensicht sind damit zunächst die Investitionen geschützt, aus Partnersicht verbessert sich das Portfolio und damit die Wettbewerbsposition. Die Wettbewerber sowohl im Bereich Business-Applikationen als auch im Server- und Betriebssystem-Umfeld sind aufgerufen, sich aktiv dem neuen Mitstreiter zu stellen.

Über die Exekution dieser Übernahme muss man sich bei Oracle keine Sorgen machen, zumal die Kulturen beider Unternehmen sehr ähnlich sind. Oracle hat einen langen und extrem positiven Track Record in Bezug auf erfolgreiche Übernahmen und deren Integration in den Gesamtkonzern.

Die Autoren: Wolfgang Schwab, Senior Advisor & Program Manager Efficient Infrastructure, Steve Janata, Channel Program Manager und Andreas Zilch, Lead Advisor, Experton Group

rbeuth

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