Urteil: Websites müssen Online-Bewertungen besser prüfen

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Urteil (Bild: Shutterstock)

Das Ärztebewertungsportal Sameda musste vor Gericht in einem Berufungsverfahren das Urteil einstecken, die Bewertungen der Nutzer genauer prüfen zzu müssen, um üble Nachrede zu vermeiden – damit hat der BGH den Schutz der Persönlichkeit vor die freie Meinungsäußerung gestellt beziehungsweise dieser Grenzen gesetzt.

Urteil (Bild: Shutterstock, Gunnar Pippel)

In dem mit mehreren Verfahren ausgefochtenen Streit geht es um ein Ärztebewertungsportal. Dessen Betreiber muss sicherstellen, dass Betroffene über Bewertungen informiert werden und diese auf Tatsachen beruhen. Diese Forderungen des Bundesgerichtshofs müssen auch Betreiber anderer Bewertungsportale berücksichtigen.

Bewertungsportale sind Fluch und Segen zugleich – Fluch, weil negative Einträge sich jahrelang auf das Geschäft der Betroffenen auswirken können, Segen, weil Nutzer und positiv bewertete Anbieter davon profitieren. Daher wundert es nicht, dass sich Gerichte damit, was bei solchen Portalen erlaubt ist, schon länger intensiv beschäftigen müssen. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof heute ein wichtiges Urteil gefällt, mit dem die Pflichten der Betreiber solcher Portale schärfer als bisher umrissen werden.

Bereits im September 2014 hatte der BGH festgestellt, dass sich Ärzte – und wohl auch andere Gewerbetreibende – der Aufnahme in ein derartiges Verzeichnis mit Bewertungsmöglichkeit nicht entziehen können und damit das Ansinnen eines Arztes zurückgewiesen, der seine Daten aus einem derartigen Portal löschen lassen wollte. Der BGH erkannte in seiner Urteilsbegründung durchaus an, dass der Arzt durch das Profil in dem Bewertungsportal belastet wird, Bewertungen die Arztwahl beeinflussen und so möglicherweise zu wirtschaftlichen Nachteilen führen können sowie dass aufgrund der Funktionsweise des Portals Missbrauchsgefahr besteht.

Allerdings überwiegt nach Ansicht der obersten Richter das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen diese möglichen Nachteile. Die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten berühren den Arzt, der sich auf sein Persönlichkeitsrecht berufen hatte, den Richtern zufolge nur in seiner sogenannten “Sozialsphäre”. Damit bezeichnen sie den Bereich, “in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht.”
Nutzerdaten müssen nicht herausgegeben werden.

Im Sommer 2014 hatte der Bundesgerichtshof zudem bereits entschieden (Aktenzeichen VI ZR 345/13), dass Bewertungsportale Daten von Nutzern, die Bewertungen vorgenommen haben, nicht herausgeben müssen. Das gilt auch dann, wenn Bewertungen weitgehend anonym erfolgen. Im verhandelten Fall reichte etwa eine Registrierung aus, für die aber lediglich eine gültige E-Mail-Adresse erforderlich war.

In seinem aktuellen Urteil (Aktenzeichen VI ZR 34/15) führt der Bundesgerichtshof nun etwas näher aus, welche Pflichten Betreibers eines solchen Portals in Bezug auf die Prüfung von Bewertungen haben. Bei dem Portal können Nutzer ohne Angabe eines Klarnamens anhand einer Schulnoten- Skala den Arzt in den fünf Kategorien “Behandlung”, “Aufklärung”, “Vertrauensverhältnis”, “genommene Zeit” und “Freundlichkeit” bewerten und haben darüber hinaus die Möglichkeit, in einem Freitextfeld einen Kommentar abzugeben.

Die umstrittene Bewertung wies die Gesamtnote 4,8 auf. Sie setzte sich aus den Einzelnoten zusammen, bei denen für “Behandlung”, “Aufklärung” und “Vertrauensverhältnis” ein “6” vergeben worden war. Der Zahnarzt bestritt jedoch, den Bewertenden überhaupt behandelt zu haben. Er forderte das Portal daher zunächst auf, die Bewertung zu entfernen. Dies informierte den Nutzer über die Beanstandung, leitete dem Arzt aus Datenschutzgründen aber dessen Antwort nicht weiter. Die Bewertung wurde weder modifiziert noch gelöscht.

Bewertung ist keine eigene “Behauptung” des Portalbetreibers
Das ist laut BGH auch so in Ordnung. Denn die beanstandete Bewertung ist keine eigene “Behauptung” des Portalbetreibers, da dieser sie sich nicht inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Er haftet für eine von Nutzern seines Portals abgegebene Bewertung nur dann, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt. Was zumutbar ist, richtet sich allerdings jeweils nach den Umständen des Einzelfalles. Allerdings darf einem Diensteanbieter laut BGH keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

Im vorliegenden Fall habe der Portalbetreiber aber sorgfältiger prüfen müssen. Laut BGH trägt der Betrieb eines Bewertungsportals im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, erhöht sich das Risiko noch. Verdeckt abgegebene Bewertungen erschweren es den Betroffenen zudem, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen.

“Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen. Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen”, so der BGH.

Sind auch Produktbewertungen in Shops davon berührt?
Das Urteil könnte jedoch auch zu Modell nicht nur für andere Bewertungsportale werden, sondern eventuell auch für die Produktbewertungen in Onlineshops herangezogen werden. Schließlich ist eine Vielzah dieser angeblichen Nutzerbewertungen gefälscht, oft vom Hersteller selbst. Amazon hatte schon letzten Oktober die Verfasser solcher „Fakes“ verlagt .

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

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